Cover
Titel
Statues and Cities. Honorific Portraits and Civic Identity in the Hellenistic World


Autor(en)
Ma, John
Reihe
Oxford Studies in Ancient Culture and Representation
Erschienen
Anzahl Seiten
XXV, 378 S.
Preis
£90.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Benjamin Wieland, Freiburg im Breisgau

Die hellenistische Polis und ihre sozio-politische Verortung in der veränderten Weltordnung nach Alexander dem Großen gehört – obschon sich die Forschung seit einiger Zeit mit ihr befasst – nach wie vor zu den großen Problemfeldern der Hellenismus-Forschung. Sowohl in Bezug auf die interne Konstituierung der Gemeinwesen als auch auf das Verhältnis zu den mächtigen Externen existieren viele Grundfragen, die zuletzt von Christian Mann zusammengefasst wurden.1 Einer der renommiertesten Forscher zur hellenistischen Polis ist der Amerikaner John Ma, der sich bereits in seinem Erstlingswerk zu den Städten im westlichen Kleinasien der Beantwortung einiger dieser Grundfragen gewidmet hat.2

Ma führt seine Forschungen nun mit dem vorliegenden Buch weiter, wobei er seinen Fokus auf die gesamte hellenistische Zeit legt, die er zwischen etwa 350 v.Chr. und 1 n.Chr. ansiedelt (S. VI). Bereits im preface formuliert Ma den Anspruch, mit seiner Studie nicht nur Ehrenstatuen und deren Funktionen, sondern „the power of civic ideology to control powerful outsiders and insiders“ untersuchen zu wollen (S. VI). Es gehe darum, die Polis in ihrem Spannungsfeld zwischen „supra-local masters“ und den lokalen „elites“ zu analysieren, um einen „holistic sense of the post-Classical polis“ zu bekommen (S. 9). Um diesem holistischen Anspruch gerecht zu werden, sammelt Ma sein Material aus allen Teilen der griechischen Welt, setzt jedoch einen klaren Fokus auf den ägäischen Raum, dessen Kernbeispiele Athen, Priene, Pergamon, Epidauros, Oropos, Ephesos und (mit Abstrichen) Klaros die Basis der Argumentation des Buches bilden. Ma erhebt den Anspruch, sich an den Schnittstellen zwischen Alter Geschichte, Klassischer Archäologie und Kunstgeschichte zu bewegen, und möchte als „attempt at bridging the gap between the three fields“ verstanden werden (S. VI). Hierzu unterteilt Ma seine Studie in vier Teile, von denen jeder aus jeweils einem deskriptiven und einem analytischen Kapitel besteht.

Der erste Teil ist „Statues and stories“ übertitelt und befasst sich mit den epigraphischen und archäologischen Grundlagen von Ehreninschriften in hellenistischen Poleis, wobei Ma immer wieder in die vorhellenistische Zeit ausgreift, um gewisse Phänomene zu erklären. Dies betrifft insbesondere seine Herleitung der hellenistischen Nominativ-Akkusativ-Formel von früheren Formeln, die entweder eine Weihung an einen Gott (im Dativ) oder die Ehrung von „famous figures“ (im Nominativ), deren semiotische Präsenz durch die Statue angedeutet werden sollte, bedeutet hätten (S. 17–23). Das Aufstellen von Statuen sei immer ein sakraler Akt geblieben, ein Geschenk an einen Gott, das gleichzeitig eine berühmte Person ehren sollte (S. 26); jedoch sei mit Beginn des Hellenismus das Bedürfnis entstanden, den Ehrenden selbst in das Narrativ der Ehrung einzubeziehen: „the point of the honorific statue is making clear who is doing the honouring“ (S. 23). Aus dieser doppelten Motivation habe sich die Gewohnheit entwickelt, den Ehrenden im Nominativ und den Geehrten im Akkusativ anzugeben, womit die Statue (und die Basis) zu einer Aufstellung, Weihung bzw. Ehrung einer lebenden Person geworden sei, die nun aber nicht mehr im Mittelpunkt der Ehrung gestanden, sondern lediglich einen Teil einer „story and transaction“ dargestellt habe (S. 30). Für die soziale Transaktion zwischen Polis, ihren lokalen Eliten und mächtigen Externen bedeutet dies laut Ma, dass der Fokus der Ehreninschriften nicht primär auf dem Geehrten selbst, sondern vor allem auf der Zurschaustellung des Primats der Gemeinschaft über das Individuum gelegen habe (S. 62f.). Wenn auch an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen wird, dass diese Dichotomie zwischen reiner Ehr- und Dankbarkeitserweisung einerseits und Ausdruck von „civic identity“ andererseits zu kurz gegriffen sei (zum Beispiel S. 63 oder 150f.), so bildet diese Feststellung doch den Kern der Schablone, mit der Ma hellenistische Ehrenmonumente interpretieren möchte.

So will auch der zweite Teil des Buches („Statues and places“) hauptsächlich zeigen, dass nicht nur die Sprache der Ehreninschriften, sondern auch die Art und Weise, in der Ehrenmonumente in den einzelnen Poleis im öffentlichen Raum aufgestellt und angeordnet wurden, die „ontological primacy of community“ (S. 62) ausdrücke. Über eine detaillierte Deskription der unterschiedlichen Aufstellungskontexte gelangt Ma zu der Schlussfolgerung, dass Phänomene wie die Gruppierung bzw. die Reihung von Ehrenstatuen vor allem der Motivation gefolgt seien, den Einzelnen in der Masse verschwinden zu lassen und stattdessen die Polis repetitiv zur Geltung zu bringen: „In the series of inscriptions on multiple honorific bases, any individual name occurred once, but the community (ho demos) recurred“ (S. 125).

Ma ist sich der Normativität seiner Aussagen durchaus bewusst (S. 150), weshalb er den Leser im dritten Teil („Statues and families“) durch eine gewissermaßen didaktische Schleife dazu einlädt „to rethink the previous findings“ (S. 151). Auf 84 Seiten befasst sich das Buch mit dem Phänomen der Privatehrungen, die Ma allerdings mit dem ausschließlichen Fokus auf Familienmonumente behandelt. Das politische Leben innerhalb der Polis sei nicht in der idealisierten Form der Inschriften verlaufen, sondern immer von „competition“ und „interaction“ unterschiedlicher sozialer Gruppen geprägt gewesen, die den öffentlichen Raum für sich in Anspruch hätten nehmen wollen (S. 231 u. 238). Dabei sei zu beobachten, dass ein „embedding of ‚family thinking‘ within the visual medium of self-expression available for civic communities“ stattgefunden habe, welches die in den ersten beiden Teilen des Buches dargestellten reziproken Prozesse zwischen Elite und Gemeinschaft verdeutliche (S. 238). Banal ausgedrückt: Familien stellen Ehrenmonumente aus aristokratischen Motivationen heraus auf, tun dies aber im öffentlichen Raum und unter öffentlichen Spielregeln und Konventionen. Ob dies die Schlussfolgerung erlaube, die Polis sei spätestens in römischer Zeit „dominated by elites“ und durch die vieldiskutierte „Honoratiorenherrschaft“ geprägt gewesen, möchte Ma nicht beantworten, da er dies für eine „in any case different question“ hält (S. 238).

Im vierten Teil („Statues and images“) befasst sich Ma ausführlich mit den politischen und künstlerischen Aspekten der Entstehung von Ehrenstatuen und kommt zu dem Schluss, „that every statue was the rich product of a multitude of choices and forces“ (S. 290). Der Teil ist – wie das gesamte Buch – äußerst materialgefüllt und informativ, wirkt jedoch seltsam separiert von der Hauptargumentation der Studie.

Ma ist einer der wichtigsten lebenden Vordenker zum Hellenismus. Er hat mit dem vorliegenden Werk nach seiner Dissertation ein weiteres Mal eine Grundlagenstudie zu einem zentralen Problem der Hellenismusforschung vorgelegt: Welche Rolle spielt die Polis im politischen Machtspiel zwischen Königen, lokalen Eliten und später römischen Amtsträgern? Wie erwartet hat er ein passioniertes Pamphlet für die Vitalität der Polis über die Schlacht von Chaironeia hinaus verfasst, das den Fokus auf die Sogwirkung der „civic identity“ legt. Für Ma steht fest, dass nicht nur die öffentliche Korrespondenz, sondern auch die öffentliche bildlich-monumentale Repräsentation Beleg dafür sind, dass die griechischen Gemeinwesen nicht nur politisch höchst aktiv waren, sondern zudem in vielen Bereichen eine Primat-Stellung innehaben konnten. Insbesondere im ersten Teil des Buches gibt er zudem eine sowohl für den Forscher als auch für den interessierten Studierenden sehr hilfreiche Übersicht zu den Grundzügen hellenistischer Ehreninschriften, die für weitere Studien zu diesem Thema unumgänglich sein wird.

Insgesamt ist es Ma gelungen, die riesige Materialmenge auf verhältnismäßig knappem Raum zu bearbeiten, auch wenn die ungewöhnlich kleine Schrift ein wenig über die tatsächliche Länge des Textes hinwegtäuscht. Ma hat es geschafft, Ehrenstatuen aus dem Bereich der reinen Dankbarkeitsbekundung und Ehrerweisung an eine verdiente Person zu entfernen und sie in einen sozio-politischen Kontext einzubetten. Dass Ehrenstatuen mindestens genauso viel über den Stifter wie über den Geehrten aussagen, mag den geneigten Epigraphiker nicht überraschen, bietet aber im vorliegenden Kontext eine fast schon revolutionäre Perspektive auf das Studium des Verhältnisses zwischen Polis und mächtigen Einzelpersonen. Ob Kategorien wie „Wettbewerb“ und „Interaktion“ ausreichen, um das Phänomen der Privatehrungen oder gar die Frage nach der „Honoratiorenherrschaft“ zu klären, wird Gegenstand weiterer Forschungen sein. Es ist Mas Verdienst, mit dem vorliegenden Werk eine Diskussionsgrundlage geschaffen zu haben, die zu neuen Denkweisen herausfordert.

Anmerkungen:
1 Christian Mann, Gleichheiten und Ungleichheiten in der hellenistischen Polis. Überlegungen zum Stand der Forschung, in: Christian Mann / Scholz, Peter (Hrsg.), „Demokratie“ im Hellenismus. Von der Herrschaft des Volkes zur Herrschaft der Honoratioren?, Mainz 2012, S. 11–27.
2 John Ma, Antiochos III. and the cities of Western Asia Minor, Oxford 1999 (Nachdruck: Oxford 2005).

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